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Athene-Preisverleihung 2017 – Studentischer Redebeitrag

Im Folgenden wird zur besseren Verständlichkeit die weibliche Form als generische Form verwendet. Personen anderen Geschlechts sind natürlich mitgedacht.

 

Sehr geehrte Damen,

bevor ich in den inhaltlich relevanten Teil meines Redebeitrages einsteige, möchte ich mich vorstellen. Wie Sie dem Programm entnehmen konnten heiße ich Klara Saary. Ich studiere Informationssystemtechnik und sitze seit drei Jahren im Senatsausschuss für Studium und Lehre und nun wurde ich zum zweiten Mal als Senatorin gewählt.

Heute werden wieder verschiedene Preise für besonders gelungene Lehrveranstaltungen verliehen. Ich halte es für sehr bedeutsam, dass der Einsatz und die Motivation der Lehrenden gewürdigt werden. Ebenso entscheidend ist es zu zeigen, dass wir hier an der TU Darmstadt der Lehre eine zentrale Rolle zuschreiben.
Dafür das dies möglich ist, möchte ich Karin und Carlo Giersch danken.

Doch was bedeutet gute Lehre? Aktuell wird aus allen Fachbereichspreisen einer als Beispiel für besonders gute Lehre ausgewählt.
In kaum einer vorgestellten Veranstaltung wurde auf gesellschaftliche Aspekte eingegangen. Die Motivation und Persönlichkeitsentwicklung der Studentinnen war nirgends ein wesentlicher Aspekt des Konzepts, obwohl dies ein zentraler Punkt in den Grundsätzen für Studium und Lehre der TU Darmstadt ist.
Gute Lehre ist eben auch Lehre, die Verantwortung übernimmt. Lehrende haben die Verantwortung Studentinnen zum kritischen Nachdenken anzuregen. Sie haben die Verantwortung, dass sich Studentinnen nach Abschluss nicht in den Strom einordnen, sondern gesellschaftliche Strukturen erkennen und ändern können.
Ein wesentlicher Aspekt hierbei ist die Bildung eines Bewusstseins für Diskriminierung und Unterdrückung. Aber gerade inklusive und gender-sensible Lehrkonzepte scheinen eine geringe Rolle an der TU Darmstadt zu spielen.
Nicht nur wird selten versucht aktiv eine positives Frauenbild zu erzeugen, häufig wird mit beiläufigen Bemerkungen oder klischeehaften Lehr-Beispielen ein passives schwaches Frauenbild reproduziert.

Es scheint so, dass die meisten das gesellschaftliche Problem der Diskriminierung von Frauen im Allgemeinen und in der Wissenschaft im Speziellen für nicht weiter relevant halten.
Dabei ist das Thema gerade an Universitäten besonders relevant. Hier zeigt sich bei der Besetzung der Professuren und dem Frauenanteil in besser bezahlten und unbefristeten Bereichen ein starker Unterschied bei den Geschlechtern.
Eine Studie zu diesem Thema stellt den Verlauf in diesem Bereich besonders eindrücklich dar. So gibt es zwar fast genauso viele weibliche wie männliche Studienanfängerinnen, jedoch entfallen nur noch 30% der Habilitationen auf Frauen. Zudem kann festgestellt werden, dass Frauen gerade in höher bezahlten und unbefristeten Stellen eine besonders kleine Minderheit darstellen. Die Statistik der TU Darmstadt zeigt deutlich diese „gläserne Decke“, an die Frauen so häufig stoßen.

Viele führen diese Differenz auf eine natürliche Begebenheit oder die selbständigen bewussten Entscheidungen der Frauen zurück, lieber in schlechter bezahlten Stellen mit wenig Verantwortung zu verweilen. Doch wirft man einen Blick auf die Alltagserfahrung der meisten Frauen so drängt sich einem der Gedanke auf, dass eventuell ein strukturelles Problem besteht. Vielleicht ist man sogar so mutig zu erkennen, dass Sexismus im Alltag akzeptiert ist, dass an Frauen weniger Erwartungen als an Männer gestellt werden und dass es viele immer noch überrascht Frauen in technischen Studiengängen zu sehen. Und dann gibt es die besonders Wagemutigen, die eine Verbindung sehen. Ein Verbindung zwischen dem eigenen Verhalten und Erwartungen und der sich noch immer haltenden unterdrückenden veralteten Rollenverteilung.

Denn wenn es immer noch vorkommt, dass Frauen nur im verhüllenden Pulli in ein Lernzentrum gehen, damit sie ungestört arbeiten können, dann läuft etwas falsch.
Wenn Frauen mit dem gleichen Vornamen von Kommilitonen anhand ihrer Körbchengröße unterschieden werden, sollte man aufhorchen.

Wenn Professoren bei einer Abschlussfeier den Vätern für Geld danken und den Müttern fürs Wäschewaschen, dann sollte das alarmierend sein.

Wenn bei einer Preisverleihung das Preisgeld an die einzige Frau der Gewinnergruppe mit dem Kommentar übergeben wird, sie kenne sich ja auf Grund ihrer Hausfrauentätigkeit mit dem Verwalten, wohlgemerkt nicht mit dem Erwirtschaften, von Geld am Besten aus, so ist dies mehr als verwerflich.

Wenn ein Professor anbietet, er hätte noch drei Plätze für hübsche Damen in seinem Auto zu vergeben, dann ist der Weg zur sexuellen Belästigung nicht weit.

Und wenn in Lehrveranstaltungen ein Professor Frauen rät sie sollen sich lieber um ihre Mutterinstinkte kümmern anstatt um ihr Studium, andernfalls würden sie keinen Mann finden, dann ist dies nur symptomatisch für ein grundlegendes Problem.

Dies sind nur ein paar Beispiele, die sich leider so an der TU Darmstadt zugetragen haben und die hoffentlich zum Nachdenken anregen.

Die Universität ist historisch gesehen eine Männerdomaine. Alle Machtpositionen sind historisch gesehen für Männer vorgesehen. Zu glauben, die Struktur und die Machtverhältnisse an der Universität und in der Gesellschaft allgemein verändern sich automatisch dadurch, dass man Frauen den Zugang zu diesen Bereichen erlaubt, ist naiv.
Vorurteile und Rollenbilder sind tief in der Gesellschaft verankert. Sie sind so ausgelegt, dass, wenn den Erwartungen entsprochen wird, Frauen automatisch in den weniger anerkannten Berufen der Pflege und im häuslichen Bereich tätig sind,und Männer die Machtpositionen besetzen.

Um dies zu ändern müssen wir alle unsere Vorstellungen und Erwartungen überdenken. Sowohl an Frauen als auch an Männer. Wir müssen Strukturen überdenken und vor allem ändern. Und es muss drastischer und mutiger gehandelt werden.

In diesem Sinne möchte ich noch einmal den Preisträgerinnen gratulieren.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!